Die Bombay-Verschwörung

Es dämmerte bereits als ich aufstand. Eigentlich wollte ich noch etwas länger im Bett liegen bleiben und meinen freien Tag genießen, musste aber so nötig pinkeln, dass ich es keine weitere Minute mehr aushielt. Als ich von der Toilette zurück kam und auf mein Bett sah, bemerkte ich, dass ich die letzte Nacht nicht allein verbracht hatte.

schwarzes Mädchen liegt nackt auf dem Bett

Auf dem Bett lag eine Frau mit langen schwarzen Haaren und moccafarbener Haut, welche mit den weißen Laken einen herrlichen Kontrast bildete. Ihr Typ ließ auf ein Mädchen aus dem nahen Osten schließen. Ich konnte mich nicht erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin und wer diese Frau sein konnte, die nackt und friedlich in meinem Bett lag und schlief. Als ich mich über sie beugte, um vorsichtig Ihr Gesicht unter den Haaren frei zulegen um meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen bemerkte ich sofort den schwachen, mir wohlbekannten Geruch. Ich riss die Frau herum und legte meine Finger an Ihre Halsschlagader und mein Verdacht wurde sofort bestätigt: Die Frau war tot. Der Geruch war eindeutig Zyankali und ich konnte die zerbissene Kapsel noch in Ihrer Wangentasche finden. Was hatte das zu bedeuten?

Mein Pager zeigte mir an, dass ich eine Nachricht aus dem Hauptquartier per Email bekommen habe. Während ich mein Notebook aus dem Standby erweckte und mich einloggte goss ich mir einen Gin ein – man soll ja schließlich mit dem anfangen mit dem man am Abend aufgehört hat und das war Gin-Tonic. Zumindest dabei war ich mir sicher. Ich genoss es, wie der Gin mit seiner feinen Schärfe meine Zunge umspülte und das schwammige Gefühl aus dem Kopf verdrängte. Als ich das Glas geleert hatte und nur noch die Eiswürfel übrig waren, war mein Laptop Betriebsbereit und begann bereits die neuen Nachrichten herunterzuladen. Es dauerte eine Weile bis die Nachricht inklusive der Anhänge geladen war, da wir eine 2MBit-Verschlüsselung verwendeten. Als ich dann auf das im Anhang der Nachricht vorhandene Bild schaute lief mir ein Schauer über den Rücken und ich dachte zunächst der vergangene Abend und der „Good-Morning-Gin“ hätten meine Sinne und vor allem mein Sehvermögen getrübt. Doch auch der zweite Blick bewahrheitete die die schockierende Tatsache, die mir das TFT-Display über meine Sehnerven ins noch weiche Gehirn hämmerte.

Eines war mir sofort klar: Es handelte sich um ein ganz großes Ding und es gab keine Zeit zu verlieren. Ich ging sofort in Gedanken meine Kontaktpersonen durch, die mir bei diesem Thema behilflich sein könnten. Sofort viel mir Lu Ergen Ankert ein, der eine Zeit in unserem Hauptquartier in London in der EAN-Zertifizierungsstelle gearbeitet hat und dann sogar für einige Jahre nach New York gesendet wurde um die UPC-EAN-Synchronisierung zu überwachen. Während ich in meinem Blackberry die Nummer von Lu heraussuchte sendete ich eine Nachricht an Cooper, dass er mit seinem Team das Zimmer reinigen und meine Spuren verwischen sollte und brach auf.

Bombay Garden Bar

Im Fahrstuhl informierte ich Lu kurz über den Bericht, den ich soeben erhalten hatte und teilte ihm mit, dass wir sofort handeln müssen. Wir vereinbarten, uns in Soho im Bombay-Garden einer kleinen aber feinen Bar, die Ali Singh gehörte in 12 Minuten zu treffen. Ali Singh arbeite schon seit einigen Jahren undercover für mich und schuldete mir noch den einen oder anderen Gefallen. Aus dem Taxi leitete ich die Email mit den schockierenden Bildern an Lu weiter und erreichte die Bombay-Garden-Bar genau 11 Minuten nach meinem Telefonat mit Lu. Dieser saß bereits an einem kleinen Tisch im hinteren kaum beleuchteten Bereich der Bar und hatte uns zwei Drinks bestellt, die bereits auf dem Tisch standen. Man konnte ihm seinen Schockzustand, den mein Anruf und die Email, die er bereits gelesen hatte deutlich ansehen.

Fortsetzung

Schach im Boxring – nur ohne Würfel

Es war eine Feier wie fast jede andere, viele Wichtigtuer und Möchtegern-Stars, einige Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren und andere, die einfach nur ein paar Getränke abstauben wollten.

Gegen Mitternacht erreichte die Feier einen Tiefpunkt, der Gesprächsstoff war ausgegangen. Die Wichtigtuer hatten Ihre Prahlgeschichten verpulvert, die Möchtegern-Stars Ihre Träume mitgeteilt, die sie vor hatten, im Folgejahr ganz sicher zu verwirklichen und die Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren, erzählten ja bekanntlich eh nicht viel.

bombay sapphire ginIch stand zu diesem Zeitpunkt am Tresen und ließ mir vom Barkeeper einen Gin-Tonic machen, bestand aber auch hier darauf, dass Bombay Sapphire verwendet wurde, die kernlose Zitrone unter dem Eis zu sein hatte und das Mischungsverhältnis 2:1 zugunsten des besten Gin, den man für Geld kaufen kann, auszufallen hatte. Nachdem der Barmann mir mit einem etwas genervten Blick mein Glas reichte, ich kostete und mit dem Ergebnis zufrieden war ergriff ich das Wort und stelle die Frage in den Raum, ob alle wüssten, was für Geräusche die Pferde in Wyoming im Winter machten. Einige der Gäste machten sich Gedanken, andere Brummten ein wenig – ein leises Tuscheln ging durch die Reihen.
Pferde in wyoming
Ich löste das Rätsel indem ich einen Schritt vor trat, die Arme hängen ließ, die Unterlippe hervorschob und mich mit einem „Brrrrrr-Prrrrrr“ schüttelte wie vor Kälte. Und begründete diese Eigenschaft der herrlichen Wyoming-Pferde auch gleich mit der stets herrschenden Kälte im Winter, die die Wäsche auf den Leinen steif werden lässt und führte die Geschichte fort:
„Ich konnte dies am eigenen Leib erfahren. So hoch stand uns der Schnee auf den Schulterklappen.“ und zeigte dabei mit meiner linken Hand ca. 20-22 cm über meine rechte Schulter. „Es war furchtbar kalt und windig, wir waren zu fünft und hatten nur noch 7 Schuss in der Winchester. Alle mussten sitzen, mehr war nicht drin. Das Feuer war ausgegangen, daher auch Drang nach mehr Munition“. Hier unterbrach mich ein junger Mann aus der Zuhörerschaft: „Alles erstunken und erlogen, in den letzten 40 Jahren hat es in Wyoming maximal 18 cm pro Tag geschneit und nicht über 20, wie Du soeben gezeigt hast. An Deiner miesen Geschichte ist nichts dran!“

Ich belehrte den Mann indem ich ihm nochmals verdeutlichte, dass ein starker Sturm herrschte und wir uns gegen den Wind stemmen mussten. Bei einem geschätzten Winkel der Schulterklappen von 45° wäre somit die theoretische Schneehöhe auf unseren Schulterklappen 18 * Wurzel aus 2, also 25,45 cm, die wir aber an dem Tage nicht erreicht hätten. Statt einer qualifizierten Antwort stürmte der Fremde vor und landete einen Faustschlag, der bis zu meinem Unterkiefer vordrang. Den zweiten Schlag konnte ich parieren und dem dritten ausweichen, da ich mittlerweile vorbereitet war. die Menge wich auseinander um nicht versehentlich von dem Pöbel getroffen zu werden und bildete einen Ring um uns in Erwartung einer sportlichen Auseinandersetzung in Form eines Boxkampfes. Was nun folgte war jedoch nicht wirklich als Boxkampf zu bezeichnen, der Unbekannte stürmte wild hinter mir her, ich unterdrückte mein Testosteron und ließ meine weibliche Seite dominieren und wich den Schlägen und Tritten aus anstatt diese zu erwidern. Was stattfand war also eher Schach im Boxring, bloß ohne Würfel.

Da erkannte ich den Mann, den ich hier einfach Max nennen möchte, obwohl er Florian hieß. Max war einer der Männer, mit denen wir in Wyoming im Schneesturm festgesessen hatten. Ich begriff sofort, woher sein Frust rührte und rief ihm zu: „Hättest DU nicht wegen deiner vor Schnappsdurst zitternden Hand den Büffel mehrfach verfehlt, so hätten wir damals noch mehr Munition übrig gehabt um uns vor den herannahenden Apachen zu schützen!“ Max brach, wie vom Blitz getroffen in sich zusammen und weinte bitterlich. Nur etwa eines der Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren, kümmerte sich um Max. Einige Wichtigtuer und Möchtegern-Stars kamen zu mir um noch weitere Erfahrungsberichte von meiner Reiterreise zur Bitterroot Ranch und unserem Camp am Wind Rivers zu erfahren. Ich war jedoch nicht in der Stimmung dazu, der Unterkiefer von dem Faustschlag tat mir nun doch sehr weh und ich überlegte ob ich noch genug Morphium im Haus hatte und bestellte mir zur Sicherheit einen weiteren Gin-Tonic, wie immer mit Bombay Sapphire, eine kernlose Zitrone unter dem Eis und dem Mischungsverhältnis 2:1 zugunsten des Bombay Sapphire und begann ein belangloses Gespräch mit dem Barkeeper. Aus dem einen Gin-Tonic wurden zwei oder sieben. Als ich mich dann umdrehte, war die Feier zu Ende. Eines von den einige Mädchen, die auf Karrieretypen aus waren lag mit einem Wichtigtuer in der Hollywood-Schaukel.

Ich beschloss nach Hause zu gehen. Die Straßen waren noch Feucht vom Regen am Nachmittag und der Mond hinter Wolken verhangen. Ich schaute mich ein wenig auf den leeren Straßen um und bemerkte, dass in dem Eckhaus, welches ich schon als Kind wegen seiner gotischen Säulen im Eingangsbereich bewundert hatte, im dritten Stock noch Licht brannte. Im Fensterkreuz da hing ein roter Luftballon.

Ich ging aber einfach weiter.

H.